06.07.2022

Projekt "TelPa_kids" gut angelaufen

Seit Oktober sind die Kleinen Riesen führender Akteur im Pilotprojekt „TelPa_kids“. Dr. Merlin Deckers aus dem KinderPalliativTeam ist für das Projekt zuständig und erklärt im Interview den aktuellen Projektstand.

Du bist als Projektleiter verantwortlich dafür. Welches Ziel hat das Projekt?

TelPa_kids hat das Ziel, eine App für Handys und Tablet-Computer für unsere Patienten, deren Familien und die KinderPalliativTeams in ganz Hessen zu entwickeln. Die App soll die spezialisierte ambulante Palliativversorgung von Kinder- und Jugendlichen und jungen Erwachsenen sinnvoll ergänzen. Schließlich soll die App dann allen Nutzern in der ambulanten Palliativversorgung im deutschsprachigen Raum zu Verfügung stehen.

Wie kann ich mir die App vorstellen, was wird sie können?

Mit dieser App können die Familien und wir kommunizieren. Das ist besonders dann wichtig, wenn eine Krise besteht wie z.B. Luftnot oder Krampfanfälle. In der Regel fahren wir als KinderPalliativTeam dann zur Familie. Es gibt aber auch Fälle, bei denen wir in einem Videotelefonat schnell helfen können. Mit der App wird dies datenschutzkonform und sicher möglich sein. Außerdem werden wir auch die Übertragung von medizinischen Daten testen. Beispielsweise könnte ein elektrisches Stethoskop über die App die Atemgeräusche an den Arzt übertragen, so dass ein „Abhören aus der Ferne“ möglich wird.

Die App ist also eine Ergänzung der bisherigen Arbeitsmethoden?

Ja, mir ist es ganz wichtig zu betonen, dass die Hausbesuche deswegen nicht abgeschafft bzw. weniger werden. Die Qualität der Betreuung der Familien wird aber dadurch insgesamt steigen. Und diese funktioniert nur in einer guten Beziehung zwischen Arzt, Patient und dessen Familie.

Mit wem entwickelt ihr die App?

Dazu brauchen wir kompetente Partner. Zum einen die Unternehmen StatConsult – Gesellschaft für klinische und Versorgungforschung mbH sowie Docs in Clouds – TeleCare GmbH. Die Unternehmen programmieren die App für uns. In Kassel werden wir in der Forschung begleitet durch das Institut für Psychologie, Fachbereich Theorie und Methodik der Beratung der Universität Kassel. Hierzu haben wir drei Studentinnen, die ihre Masterarbeiten bei uns schreiben.

Wie sieht die Arbeit der Studierenden genau aus?

Der erste Schritt war ein Ethikvotum für den Kontakt mit den Familien. Die Studentinnen werden in einer Bedarfserhebung mit uns nun herausarbeiten, welche Funktionen die App für betroffene Patienten, Familien und SAPV-Teams haben muss. Die SAPV-Teams Süd- und Mittelhessen sind natürlich in allen Projektphasen beteiligt.

Mit welchen betroffenen Familien seid ihr im Gespräch?

Wir werden mit Familien, die hessenweit in der Betreuung sind, zusammenarbeiten. Aktuell laufen online Interviews zur Bedarfserhebung. Im Weiteren laden wir dann alle Familien dazu ein sich im weiteren Projektverlauf weiter einzubringen und die App in ihrem Sinne mitzugestalten. Gleichzeitig freuen wir uns auch über die Expertise von anderen Familien aus ganz Hessen. Wer seine Erfahrungen einbringen möchte, kann sich gerne bei uns melden.

Und dann wird die App programmiert?
Richtig. Gemeinsam mit den Entwicklern entstehen die Grundfunktionen. Dann werden wir diese immer wieder testen und überarbeiten, bis es passt.

Wo kann die App nicht mehr helfen, wo ist es wichtig, dass das Team zu den Familien fährt?

Genau diese Grenze wollen wir genau definieren. Technik in so einen sensiblen Bereich einzuführen, bedarf auch einer Anleitung, wie diese einzusetzen ist! Die App kann immer nur eine Ergänzung sein, aber die dauerhafte Betreuung zuhause nicht ersetzen.

Wie wird die App dann getestet?

Wir möchten im November Tablets in die Familien aller KinderPalliativTeams in Hessen ausgeben. Dann beginnt ein 16-monatiger Testlauf. Dieser muss wissenschaftlich begleitet werden: Wann wird die App angewendet, kann die Versorgung dadurch verbessert werden und wie geht es den NutzerInnen dabei? In dieser Zeit können Teile der App durch die Programmierer bei Bedarf auch sofort angepasst werden.

Wird es die App ausschließlich in deutscher Sprache geben?

Nein, hoffentlich nicht. Ich würde es gerne möglich machen die App patientenseitig in verschiedenen Sprachen anzubieten. Inwiefern das finanzierbar ist, ist leider nicht klar. Ziel wäre es, dass die Familien die App in ihrer Muttersprache nutzen können. Das wäre auch schon für Teilfunktionen, wie z.B. pflegerisch oder ärztlichen Anordnungen wie ein „bitte nehmen Sie jetzt dieses Medikament“ sehr wünschenswert.

Wann wollt Ihr mit der Entwicklung fertig sein?

Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt: also im Herbst 2024.

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