Unser Hintergrund

Ein zentraler Aspekt der Entwicklung von Gesundheit und Krankheit in Deutschland – die Verschiebung von akuten hin zu chronischen Erkrankungen – ist seit vielen Jahren in allen Bereichen der Medizin wahrnehmbar. Aber nicht nur im hohen Erwachsenenalter ist unsere Gesellschaft mit immer mehr immer länger erkrankten Menschen konfrontiert. Dank stetigem medizinischem Fortschritt leben auch schwerstkranke Kinder und Jugendliche länger und benötigen individuelle ärztliche und pflegerische Unterstützung für ein höchstmögliches Maß an Lebensqualität. Schwere Krankheiten des Kindes- und Jugendalters wie beispielsweise Tumorerkrankungen, Nervenerkrankungen oder Stoffwechselerkrankungen werden oftmals vergleichbar chronisch wie in der Erwachsenenmedizin.

Seit 2007 besteht in der Bundesrepublik Deutschland ein Rechtsanspruch (§ 37b SGB V) auf eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) für gesetzlich Krankenversicherte. Aufgrund ihrer besonderen Bedürfnisse gibt es für Kinder und Jugendliche, die an einer nicht heilbaren, fortschreitenden und weit fortgeschrittenen Erkrankung bei einer zugleich begrenzten Lebenserwartung leiden, eine eigenständige Versorgung, die SAPV für Kinder und Jugendliche (SAPV-KJ).

In Hessen besteht mit den drei SAPV-KJ-Teams in Frankfurt, Gießen und Kassel ein gut funktionierendes flächendeckendes Versorgungsangebot. Unser KinderPalliativTeam der Kleinen Riesen versorgt den gesamten Regierungsbezirk Kassel. Die Besonderheit bei der Versorgung lebenslimitiert chronisch erkrankter Kinder und Jugendlicher im Gegensatz zur Versorgung bei älteren Menschen ist, dass die Versorgung oft über viele Monate oder sogar Jahre geht und die SAPV-KJ bedarfsweise auch zur Krisenintervention eingesetzt wird. Zu den Aufgaben der SAPV-KJ gehört eine Sterbebegleitung wie auch eine umfassende alltägliche Versorgung der chronisch schwer erkrankten Kinder und Jugendlichen. Unabhängig von der SAPV-KJ bedarf es fast immer einer umfassenden alltäglichen Pflege der betroffenen Kinder und einer Pflegeanleitung der betreuenden Eltern wie zum Beispiel durch die häusliche Kinderkrankenpflege.

Leider zeichnet sich aufgrund verschiedener Faktoren ein beängstigender Pflegefachkräftemangel in der ambulanten pädiatrischen Patientenversorgung ab. Es ist absehbar, dass die personellen Ressourcen der zuständigen spezialisierten Kinderpflegedienste den tatsächlichen Versorgungsbedarf nicht mehr gewährleisten können. Schwer und lebenslimitierend erkrankte Kinder und Jugendliche sind oftmals unnötig langen und belastenden Klinikaufenthalten ausgesetzt, weil die ambulante Anschlussversorgung zuhause nicht sichergestellt ist. Die meisten Angehörigen würden aber die vertraute Häuslichkeit einer stationären Einrichtung vorziehen. Nicht nur, um die Nähe zum kranken Kind zu gewährleisten, sondern auch, um eine familiäre Normalität zu wahren. Nach einer Bedarfsberechnung gibt es allein in Hessen derzeit etwa 2.000 Kinder und Jugendliche mit einer schweren lebenslimitierenden Erkrankung, die intensiv zu Hause gepflegt und medizinisch begleitet werden könnten und sollten. Jährlich versterben etwa 450 dieser jüngsten und jungen Patienten. Das Wegbrechen ambulanter häuslicher Kinderkrankenpflege verschlimmert die Lage betroffener Kinder und Jugendlicher sowie ihrer Familien dramatisch.

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