29.05.2020

Interview zur Telemedizin bei den Kleinen Riesen Nordhessen

Nicht nur in Corona-Zeiten kann es für ambulante Teams wie unser KinderPalliativTeam sinnvoll sein, durch audiovisuelle Hilfsmittel die Betreuung der Patienten und deren Familien noch besser zu machen. Die Kleinen Riesen Nordhessen haben einen Antrag auf den Weg gebracht, diese Möglichkeiten für KinderPalliativTeams in Hessen zu entwickeln. Dr. Thomas Voelker, ärztlicher Leiter des KinderPalliativTeams, erklärt den Nutzen der sogenannten Telemedizin:

 

Was ist Telemedizin?

T. Voelker: Die Telemedizin bezeichnet Diagnostik und Therapie unter Überbrückung einer räumlichen oder auch zeitlichen Distanz zwischen Arzt und Patienten.

Was heißt Telemedizin für die Arbeit des KinderPalliativTeams der Kleinen Riesen Nordhessen?

T. Voelker: Wir sind bei diesem Thema nicht alleine unterwegs. In einem Verbund der hessischen KinderPalliativTeams, dem Fachverband spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) Hessen und zweier renommierter Industriepartner (StatConsult sowie Docs in Cloud) möchten wir ein bestehendes palliativmedizinisch-pflegerisches Dokumentationssystem um die Möglichkeit zwei verschiedener Telemedizintools erweitern. Damit soll die Telemedizin in die KinderPalliativMedizin in Hessen implementiert werden.

Zum einen planen wir die Entwicklung einer „App“ zur direkten onlinebasierten Kommunikation mit den Patienten bzw. deren Angehörigen. Zum anderen wünschen wir uns mit der Integration eines „TeleDocs“ in diese App eine bessere und effektivere Vernetzung von Arzt und Pflege sowie Arzt und externen Experten.

Welche Vorteile hätte Telemedizin für die Arbeit des KinderPalliativTeams und für die „Verwaltung“?

T. Voelker: Die Nutzung neuer Technologien könnte die ambulante Palliativarbeit in Zukunft für alle Beteiligten noch sicherer und zuverlässiger machen. Die ärztlich-pflegerische Expertise kann mit dem Mittel der Telemedizin - auch im Bereich der Palliativmedizin - noch besser die dünn besiedelten Regionen in unserem Einsatzgebiet erreichen.

Welche Vorteile hätte die Telemedizin für die betreuten Familien?

T. Voelker: In Notfallsituationen können die Tools der Telemedizin eine entscheidende und vertrauensvolle Hilfe für die Familien sein. Das jeweilige KinderPalliativTeam kann rasch vorab bereits virtuell Unterstützung anbieten. Zusätzliche Notarzteinsätze und unnötige Krankenhausaufnahmen der schwerstkranken Kinder und Jugendlichen können vermieden werden. Wir wollen im Rahmen dieses Projektes innovative telemedizinische Applikationen nutzen und erwarten, dass es aufgrund der Möglichkeiten der unmittelbaren audiovisuellen Kontaktaufnahme zu einer direkten Verbesserung der Patientenversorgung kommt. Sorgen und Ängste seitens der versorgenden Angehörigen sollen gemindert und damit letztlich das Sicherheitsgefühl und die Lebensqualität von Patienten und deren Familien erhöht werden.

Wie ist der Datenschutz gewährleistet?

T. Voelker: Der hessischen Datenschutzbeauftragte wird entsprechend in die Entwicklung involviert.

Wird dadurch weniger Personal notwendig?

T. Voelker: Nein, die Personalanforderungen bleiben gleich.

Wie ist der derzeitige Stand hinsichtlich einer Einführung der Telemedizin bei den Kleinen Riesen?

T. Voelker: Der Antrag für das Projekt wurde in den letzten Wochen bei der hessischen Landesregierung eingereicht.

Was sind die notwendigen Schritte bis zu einer Einführung?

 T. Voelker: Das ist klassische Projektarbeit: Entwicklung, Koordination und Umsetzung des Projektplans. Die beteiligten Konsortialpartner müssen koordiniert werden, eine detaillierte Nutzungsanforderung für die geplante App und ein Lastenhaft ausgearbeitet werden. Ferner müssen mindesten 20 sogenannte „use cases“ erstellt werden. Das sind mögliche Szenarien, die Eintreten können, wenn mit der App ein bestimmtes fachliches Ziel erreicht werden soll.

Da wir ja mit den anderen drei hessischen KinderPalliativTeams zusammenarbeiten, muss auch dort die Nutzungsanforderung koordiniert werden. Wenn die notwendige Hardware zu Verfügung steht, muss die App in allen geplanten Einrichtungen integriert werden und die Prozesse umgestellt werden. Das alles geschieht immer im Austausch mit dem hessischen Sozialministerium. Schließlich müssen Mitarbeitende und elterliche Anwender sowie externe Experten geschult werden.

Wer übernimmt diese Arbeit?

T. Voelker: Seit Mitte Mai haben wir einen neuen Kollegen im KinderPalliativTeam. Dr. Merlin Deckers wird sich neben der Patientenbetreuung v.a. um diese Projektarbeit kümmern.

Gibt es schon vergleichbare Erfahrungen anderer (Kinder)PalliativTeams?

T. Voelker: Nein wir wären für den Kinderbereich bundesweit führend.

Wer übernimmt die Kosten für diese Entwicklung?

T. Voelker: Jeweils anteilig die drei Konsortialpartner und das Land Hessen in der Kofinanzierung.

Was kann die Telemedizin nicht ersetzen?

T. Voelker: Die persönliche Beziehung zwischen den Mitarbeitenden des KinderPalliativTeams und den Familien. Unsere Begleitung ist mehr als Medikamente und Verbände. Aufgrund der Ausnahmesituation der Familien spielen die persönliche Betreuung und die Begleitung durch unserer Team weiterhin eine große Rolle.

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