19.12.2019

Hilfe, mein Kind ist todkrank! Nachbericht zum Forum

Auf Einladung der Kleinen Riesen Nordhessen und des Kinderhospizdienstes der Malteser fand das vierte Forum für pädiatrische Palliativ- und Hospizversorgung im Regierungsbezirk statt. In den Räumen der Malteser in Fulda trafen sich Experten und Betroffene zum Austausch.

Wilfried Wanjek, Leiter des Hospizzentrums der Malteser Fulda wies auf die guten Versorgungsstrukturen hin: „Es ist ein toller Erfolg, dass es in Hessen eine flächendeckende Versorgung gibt.“

„Die betroffene Familien sollen uns heute Botschaften auf dem Weg geben, damit wir in unserer Arbeit nicht vergessen, um wen es wirklich geht“, sagte Prof. Dr. Michaela Nathrath, Vorsitzende der Kleinen Riesen Nordhessen.

Der Bundestagsabgeordnete Michael Brand nahm als Politiker und als Vorsitzender des Hospiz Förderverein Fulda an dem Austausch teil. Er dankte allen, die in der Hospiz- und Palliativarbeit engagiert sind: „Sie sind Überzeugungstäter, die viel aushalten müssen.“ Mit Blick auf gesellschaftliche und politische Diskussionen stellte Brand klar: „Es braucht eine Positionierung, dass Leben nicht in lebenswert und nicht lebenswert eingeteilt werden kann.“ Dazu müssen Rahmen gesteckt werden, damit Missbrauch vermieden wird.

Wie ein Tornado im eigenen Leben

Das Ehepaar Miriam Peake und David Storch erzählten von der Ultraschalluntersuchung beim Frauenarzt im Jahr 2017. Dort stellte der Arzt fest, dass der Kopf des ungeborenen Kindes zu klein sei. Im November kam Josef auf die Welt und sofort auf die Intensivstation. Nach einem starken Krampfanfall machten die Ärzte ein MRT, das zeigte, dass das Gehirn stark unterentwickelt ist und Josef wahrscheinlich eine geringe Lebenserwartung hat. Diese Diagnose beschrieb Mutter Miriam so: „Das war wie ein Tornado, der durch das eigene Leben wütet.“ Nach drei Wochen mit Josef in der Klinik wurden die Eltern auf die Möglichkeit der Begleitung durch das KinderPalliativTeam hingewiesen. Dieses hatte vor allem Vater David abgelehnt. Die Eltern gingen mit dem kleinen Josef nach Hause. „Uns war nicht klar, wie krank unser Kind ist“, sagte Mutter Miriam rückblickend. Schließlich kam Dr. Thomas Sitte vom KinderPalliativTeam der Kleinen Riesen Nordhessen doch bei der Familie vorbei. „Wir beide waren zuerst keine Freunde“, gestand Papa David. „Der Übergang von Klinik zum KinderPalliativTeam war nicht rund“, so David. Irgendwann war den Eltern dennoch klar, dass Josef nicht alt werden würde. Miriam Peake erzählte, dass sie „zuhause die Zeit nutzen und Josef Nestwärme geben konnte“, was in der Klinik nicht gegangen wäre. Den Eltern habe sehr geholfen, dass alle Entscheidungen zu Josefs Wohlergehen mit dem KinderPalliativTeam getroffen werden konnten. „Es war gut zu wissen, dass ich täglich 24 Stunden jemanden erreichen konnte“, so die Mutter. „Das KinderPalliativTeam rief auch an, wenn wir uns längere Zeit nicht gemeldet haben. Sie waren am Telefon und haben mich unterstützt, als ich Josef die erste Morphingabe verabreicht habe. Das war für mich eine große Entlastung!“ Für Josefs Vater war es am hilfreichsten, dass er wusste, „dass seiner Frau geholfen war.“ Er selber lernte durch das Team Magensonden zu legen, weil dies seine Frau nicht konnte. Josef verstarb nach dreieinhalb Monaten und dann kam für die Eltern die große Leere. „Die Nachsorge könnte noch ausgebaut werden“, schlug Miriam Peake vor. „Das Abschlussgespräch mit dem Team und die wenigen Gespräche mit der Psychologin waren für mich zu wenig.“

Das Netzwerk ist groß und dennoch fehlt so viel

In einer Diskussionsrunde kamen Experten aus der Hospiz- und Palliativarbeit mit den Teilnehmenden ins Gespräch. Es diskutierten Marcel Globisch (Deutscher Kinderhospizverein e.V.), Christine Bronner (Bundesverband Kinderhospiz e.V.), Dr. Thomas Sitte (KinderPalliativMediziner, KinderPalliativTeam Nordhessen), Susanne Möller (PalliativeCare-Pflege, KinderPalliativTeam Nordhessen), Anke Griesel (Sozialpädagogin, KinderPalliativTeam Nordhessen) und Michael Brand MdB.

Die Experten stellten fest, dass es zu wenig Kinderkrankenpflegedienste gebe und diese zum Teil immer weiter wegbrechen. Der Fokus in den Pflegeberufen werde häufig ausschließlich auf die Kranken- und Altenpflege gelegt, die Kinderkrankenpflege sei zu wenig im Blick. Ferner mangle es an einer psychologischen Betreuungsstruktur für Menschen mit einer lebensbedrohlichen Diagnose bzw. für Eltern, die eine solche Diagnose für ihr Kind bekommen.

Ein weiteres Thema war das Zusammenspiel von Kinderhospiz und spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV). Beides sollte im Idealfall von Beginn der Diagnose als eine Einheit gesehen werden. Nur so könne in der Betreuung eine Kontinuität gewährleistet werden. Die Angebote der SAPV seien noch zu wenig bekannt. Erst wenn Betroffene darum wissen, können sie es auch einfordern. Auch fehle es an Orten, wo Kinder stunden- oder tageweise hingebracht werden können, um die pflegenden Eltern zu entlasten. Die Politik sollte teilstationäre Einrichtungen mehr fördern. Ebenso forderten die Experten auch dass bei der Abrechnung der Betreuung von kranken Kindern bei den Krankenkassen der größere Zeitaufwand berücksichtigt werde. Kinder benötigen mehr Zeit und Aufmerksamkeit in der Behandlung.

Fazit aller Teilnehmenden und Experten war, dass der Tod aus der Tabuzone geholt werden müsse. Gerade über das Sterben von Kindern müsse gesellschaftlich mehr geredet und die Trauerarbeit gestärkt werden.

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